Der Kanton Jura stimmt am 13. Juni über die Lohngleichheits-Initiative der Unia ab. Es ist die erste und bisher einzige solche Initiative!
«WEDER MAGD NOCH NONNE NOCH BLÖD»: Frauen-Megaphone säumen den Weg zur Staatskanzlei in Delémont bei der Einreichung der Lohngleichheitsinitiative 2018. (Foto: Stöh Grünig)
Unia-Frau Maude Rufi (42) freut sich: «Bald ist es so weit. Ich bin sehr froh, dass wir am 13. Juni, einen Tag vor dem Frauenstreik, über die Lohngleichheitsinitiative abstimmen können!» Die Unia Transjurane hatte die erste und bisher einzige Lohngleichheitsinitiative 2017 lanciert. Sie verlangt ein kantonales Gesetz, das festlegt, wie die Lohngleichheit in den Betrieben kontrolliert und verbessert werden soll. Und damit das nationale Gleichstellungsgesetz ergänzt.
Als die Initiative am 8. März 2018 – dem Tag der Frauen – eingereicht wurde, war Maude Rufi dabei (work berichtete). Sie erinnert sich: «Ich war sehr stolz, dass wir so viele Unterschriften gesammelt hatten.» Für eine Initiative braucht es im Kanton Jura 2000 Unterschriften, einreichen konnten Rufi und ihre Mitstreiterinnen über 3400. «Das zeigt die grosse Unterstützung, die unser Anliegen in der Bevölkerung hat.»
Rébecca Lena, Unia-Chefin der Region Transjurane, hofft auf ein gutes Abstimmungsresultat. Nur so könne der Druck auf das Parlament erhöht werden, bei Massnahmen für die Lohngleichheit nicht zu sparen.
«Jetzt braucht es endlich Sanktionen für Firmen, die keine Lohngleichheit haben.»
KRASSER LOHNUNTERSCHIED
Gewerkschafterin Rufi kennt Lohndiskriminierung. Und wie! Bevor sie bei der Unia anfing, arbeitete sie in der Uhrenindustrie. Zum Abschluss gab’s dort ein bitteres Geschenk: Sie erfuhr, dass ihr Kollege 500 Franken mehr verdient. Dabei ist er fast gleich alt wie sie, hat die gleichen Weiterbildungen gemacht und leistete genau die gleiche Arbeit. Rufi sagt: «Ich fühlte mich erniedrigt und war wahnsinnig enttäuscht.»
Rufi ist kein Einzelfall. Der gesamte Lohnunterscheid zwischen Frauen und Männern beträgt 19 Prozent. 45,4 Prozent davon sind alleine durch Diskriminierung zu erklären. Im Kanton Jura verdienen Frauen gar 23 Prozent weniger als Männer. Dies, obwohl die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau seit 40 Jahren in der Bundesverfassung verankert ist. Doch genauso lange verstossen Arbeitgeber dagegen.
KNAPP AN DER SCHUBLADE VORBEI
Die kantonale Initiative sei deshalb eine Art Umsetzungsinitiative, erklärt Marie-Hélène Thies (63). Die gebürtige Französin ist seit einem Jahr pensioniert, doch zuvor war sie während 20 Jahren bei der Unia Transjurane für den Dienstleistungssektor verantwortlich und kämpft schon fast ein Leben lang für Lohngleichheit. Sie war auch im Initiativkomitee (work berichtete). Thies: «Das zahnlose nationale Gesetz, wonach nur Firmen mit über 100 Mitarbeitenden Lohnkontrollen durchführen müssen, ist ein schlechter Witz!» Und noch viel mehr für den Kanton Jura, wo die Mehrheit der Firmen weniger als 100 Mitarbeitende hat. «Und Sanktionen gegen Firmen, welche die Lohngleichheit nicht einhalten, sind nicht einmal vorgesehen!» Deshalb hätten sie die kantonale Lohngleichheitsinitiative lanciert.
Wegen Corona wäre die Initiative fast in einer Schublade gelandet. Das Kantonsparlament hätte die Vorlage innerhalb von zwei Jahren nach der Einreichung bearbeiten müssen. Doch wegen der Pandemie kam es zu Verzögerungen. Thies: «Wir hatten eine Videokonferenz mit der Regierung. Gewisse Regierungsmitglieder gaben uns zu verstehen, dass wir die Initiative zurückziehen sollten.» Doch das kam natürlich nicht in Frage. Deshalb musste die Regierung jetzt Vorschläge zur Umsetzung ausarbeiten. Immerhin: im Jura sollen Firmen ab 50 Mitarbeitenden Lohnkontrollen durchführen müssen. Und Lohngleichheit wird zur Pflicht für Unternehmen, die öffentliche Gelder erhalten.
Für Thies sind die Vorschläge dennoch ungenügend: «Sie gehen zu wenig weit. Jetzt braucht es endlich Sanktionen für Firmen, die keine Lohngleichheit haben.» An Ruhestand ist für Thies deshalb nicht zu denken. Und sie muss auch gleich wieder los, an eine Sitzung mit dem Frauenkollektiv. Auf der Agenda steht die Planung der Aktivitäten für den 14. Juni.
HaushaltsarbeitPascha bleibt Pascha
Ungleichheit gibt’s nicht nur bei den Löhnen, sondern auch zu Hause. Allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Frauen leisten nämlich doppelt so viel Hausarbeit wie Männer. Noch immer. Das zeigt die neuste Arbeitskräfteerhebung des Bundesamtes für Statistik. Die Männer holen zwar auf, aber nur in Mini-Schrittchen: In den letzten zehn Jahren hat Mann 1,7 Stunden pro Woche mehr gekocht und ein halbes Stündchen länger geputzt.
FAMILIE. Die Zeit, die Mütter für Lohnarbeit verwenden, ist in den letzten 10 Jahren um fast 3 Stunden pro Woche gestiegen – diejenige der Väter um über 4 Stunden gesunken. Trotzdem machen Mütter fast doppelt so viel für den Haushalt wie Väter. Und betreuen die Kinder 7,5 Stunden länger als ihre Ehemänner.
Fazit: Noch immer leisten die Frauen den Löwinnenanteil der Haus- und Familienarbeit, und obendrauf tragen sie immer mehr zum Haushaltsbudget bei.
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